Corona-Gau bei Tönnies: Jeder zweite Test positiv

Haben Gastarbeiter das Virus vom Heimaturlaub mitgebracht? Beim Fleischbetrieb Tönnies sind bereits 657 Angestellte positiv auf Corona getestet worden. Der Landrat lässt den Betrieb sowie Schulen und Kitas schließen.

Wegen des Corona-Ausbruchs ist der Schlachtbetrieb bei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück gestoppt. Die Schlachtungen seien bereits am Mittwochmittag eingestellt worden, nun würden weitere Bereiche nach und nach heruntergefahren, teilte das Unternehmen mit. Wie lange der Produktionsbereich geschlossen bleibe, müssten die Behörden nach Lage entscheiden. Der Landrat des Kreises Gütersloh, Sven-Georg Adenauer (CDU), sagte am Mittwoch bei einer Pressekonferenz, er habe die Schließung verfügt.

Tönnies-Vertreter: Waren Heimaturlaube der Auslöser?

Als mutmaßliche Gründe für die zahlreichen Infektionen nannte das Unternehmen die Rückkehr von Arbeitern nach Heimaturlauben sowie die Kühlung in Bereichen der Firma. Gekühlte Räume beförderten offenbar das Übertragen des Virus auf viele Personen, so Tönnies-Vertreter Gereon Schulze Althoff.Tönnies UnternehmensgruppeBernd Thissen/dpa

Jetzt 657 Arbeiter infiziert

Die Zahl der positiv auf das Coronavirus getesteten Mitarbeiter beim Schlachtereibetrieb Tönnies in Rheda-Wiedenbrück ist auf 657 gestiegen. Insgesamt lagen am Mittwochabend 983 Testergebnisse vor, davon 326 negativ, wie ein Sprecher des Kreises Gütersloh mitteilte. Dies sei nur ein Zwischenstand. Nach Angaben des Landrats Sven-Georg Adenauer (CDU) hatte der Kreis insgesamt 1050 Coronavirus-Tests für Beschäftigte der Firma Tönnies veranlasst.

Am Mittwoch war der sprunghafte Anstieg der Infektionszahlen beim Hauptproduktionsbetrieb von Deutschlands Marktführer bei der Schweineschlachtung bekanntgeworden. Rund 7000 Menschen sind den Angaben des Kreises zufolge in Quarantäne. Um eine Ausbreitung des Virus einzudämmen wurde die Schließung von Schulen und Kitas im gesamten Kreis verfügt.

“Wir können uns nur entschuldigen”, sagte Tönnies-Sprecher Andre Vielstädte. Man habe “intensiv” daran gearbeitet, das Virus “aus dem Betrieb zu halten”. Dem Unternehmen zufolge ist noch nicht ganz klar, ob es einen oder mehrere Infektionsherde gebe. Der oder die Herde müssten in den vergangenen Wochen in den Betrieb herein getragen worden sein, da die behördlich verordneten Tests vor drei bis vier Wochen bei den betroffenen Mitarbeitern noch negativ gewesen seien.

Alle Schulen und Kitas im Kreis Gütersloh bis zu Sommerferien dicht

Der Kreis Gütersloh schließt nach dem Ausbruch alle Schulen und Kitas bis zu den Sommerferien. Durch diesen Schritt solle eine Ausbreitung des Virus in der Bevölkerung vermieden werden, sagte eine Sprecherin des Kreises am Mittwoch.

Das NRW-Gesundheitsministerium kündigte zudem an, im Gesundheitsausschuss des Landtages ausführlich zu informieren. Am Dienstag hatte das Unternehmen noch von 128 positiv auf das Virus getesteten Mitarbeitern gesprochen und Maßnahmen zugesagt, die Ausbreitung einzudämmen.46 Neuinfektionen bei TönniesDavid Inderlied/dpa

Bei einem großangelegten Corona-Reihentest durch die Gesundheitsbehörden nach einem Ausbruch in einer Fleischfabrik im Kreis Coesfeld im Mai waren bei Tönnies zunächst nur wenige Fälle festgestellt worden. Nach Unternehmensangaben wurde allerdings bei späteren Tests ein Infektionsherd identifiziert. Obwohl alle Kontaktpersonen vorsorglich in Quarantäne geschickt worden seien, habe es weitere Infektionen in dem Schweinefleisch-Zerlegebetrieb gegeben.

Landrat Adenauer zeigte sich zuvor schockiert über den sprunghaften Anstieg: “Die Firma muss ihre Produktion runterfahren, soweit es eben geht”, sagte der CDU-Politiker der “Neuen Westfälischen” – das ist nun geschehen. Jetzt gelte es zu schauen, wo die Betroffenen und ihre Kinder untergebracht seien.

Durch Tönnies-Schließung fehlt 20 Prozent der Fleischproduktion für Deutschland

Durch die Schließung des Schlachtbetriebs bei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück fehlen nach Angaben des Gütersloher Landrats 20 Prozent der Fleischprodukte auf dem deutschen Markt. Das sei kein Grund für Hamsterkäufe, sagte Adenauer am Mittwoch. “Aber das ist schon eine deutliche, hohe Zahl.” Auch die Schweinezüchter seien durch den Stopp des Schlachtbetriebs vor Probleme gestellt, weil ihre Schweine so gezüchtet werden, dass sie zu einem bestimmten Termin schlachtreif seien. Die Tönnies-Gruppe bemüht sich nach eigenen Angaben, an anderen Standorten die Produktion zu steigern, um die Ausfälle zu kompensieren.Clemens Tönniesdpa/David Inderlied/dpa Clemens Tönnies trägt eine Schutzmaske, während er vor einer Wand mit dem Logo „Tönnies“ steht.

Minister Laumann: Schlachthof-Arbeiter werden erneut getestet

Nach dem Ausbruch des Coronavirus im Schlachthof Tönnies werden erneut landesweit alle Schlachthofbelegschaften mit Werkvertragsarbeitern auf das Virus getestet. Das hat NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) am Mittwoch angekündigt. Danach werde man wissen, ob es sich bei dem Ausbruch um eine Ausnahme handelt oder nicht.

Der Arbeitsschutz habe sich in den vergangenen Wochen zudem 250 Sammelunterkünfte von ausländischen Arbeitern angeschaut. Während die der Landwirtschaft bis auf Ausnahmen überwiegend vernünftig gewesen seien, habe man bei den Unterkünften der Schlachtindustrie äußerst schwierige Verhältnisse angetroffen.

Politiker kritisieren Zustände in der Fleischindustrie

Angesichts des erneuten Corona-Ausbruchs kritisierten Politiker von Grünen und SPD erneut die Zustände in der Fleischindustrie. “Die Gesundheit der Beschäftigten wird für die Profite der Fleischbarone aufs Spiel gesetzt”, erklärte der Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. “Wo bleiben die großspurig angekündigten gesetzlichen Regelungen für den besseren Schutz der Beschäftigten, bessere Wohnbedingungen, mehr Hygiene und effektivere flächendeckende Kontrollen?”

Die SPD-Fraktionsvize Katja Mast nannte es “schlimm, dass es jetzt schon wieder einen so massiven Ausbruch gibt”. “Es geht um hart arbeitende Menschen, oft aus ärmeren Teilen Europas, die häufig in Sammelunterkünften untergebracht sind.” Es dürfe nicht sein, “dass lokale Lockerungen durch die Pandemieherde in der Fleischindustrie wieder gefährdet werden”.

Laschet über Ausbruch: “Das hat nichts mit Lockerungen zu tun”

Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sagte vor Journalisten auf die Frage, was der Corona-Ausbruch bei Tönnies über die bisherigen Lockerungen aussage: “Das sagt darüber überhaupt nichts aus, weil Rumänen und Bulgaren da eingereist sind und da der Virus herkommt. (…) Das hat nichts mit Lockerungen zu tun, sondern mit der Unterbringung von Menschen in Unterkünften und Arbeitsbedingungen in Betrieben.”

Französische Olympiahoffnung (16) stürzt 150 Meter in den Tod

Astrophysiker halten 36 intelligente Zivilisationen in Heimatgalaxie für möglich